Greenwashing - prinzipiell kennen wir dieses Phänomen aus Verbrauchersicht und ärgern uns, wenn wir erkennen, dass uns ein Unternehmen irgendwie übers Ohr gehauen oder nicht die ganze Wahrheit erzählt hat.
Im professionellen Umfeld sieht das manchmal ein bisschen anders aus. Dann sind plötzlich wir KommunikationsexpertInnen diejenigen, die Greenwashing erst möglich machen.
Dabei haben wohl die wenigsten von uns die tatsächliche böswillige Absicht, Greenwashing in die Welt zu setzen - aber es passiert trotzdem. Natürlich durch Wettbewerbsdruck, denn nachhaltige Produkte stehen bei den KonsumentInnen ja hoch im Kurs und die Konkurrenz verwendet eventuell auch nachhaltige Claims. Oft entsteht Greenwashing auch aufgrund mangelnden Wissens, "Stille-Post"-Effekten oder auch aus dem Wunsch heraus, eine vermeintlich "gute" Sache zu kommunizieren. Und es passiert ganz schön häufig.
Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 waren 53,3 Prozent der geprüften Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert zu beurteilen. 40 Prozent der Aussagen waren nicht belegt.
Aus diesem Grund wurde im Zuge des European Green Deals die Green Claims Directive und die Empowering Consumers Directive erarbeitet - eine Gesetzesvorlage, die dabei helfen sollen, Greenwashing einzudämmen.
Was bedeutet das aber für die Kommunikationsbranche? Was ist jetzt und in Zukunft erlaubt? Wie erkenne ich Greenwashing? Und wie kann es schon abgefangen werden, bevor es überhaupt in die Öffentlichkeit gelangt?
Hier findest du einige Antworten. Wenn du mehr Infos brauchst oder auch spezialisierte Experten zu Rate ziehen willst, melde dich gern bei der Tomorrow Academy: anja.abicht@tomorrowacademy.org
Für Greenwashing gibt es viele Definitionen. Einfach erklärt bedeutet es: Ein Unternehmen versucht sich selbst und/oder seine Produkte und Dienstleistungen grüner erscheinen zu lassen als es ist, indem es gezielt Kommunikation dafür einsetzt, mit Desinformationen ein Image ökologischer Verantwortung zu erzeugen.
Laut VKI (Verein für Konsumenteninformation Österreich, vergleichbar dem Verbraucherschutz in Deutschland) gibt es eine Reihe verschiedener Strategien des Greenwashings, die wir hier zitieren möchten:
Greenpeace hat für VerbraucherInnen ebenfalls einen kleinen Guide herausgegeben, wie man Greenwashing erkennen kann:
Nachhaltigkeit ist immer stärker im Bewusstsein der KonsumentInnen verankert. Aus diesem Grund behaupten in Umfragen zunehmend mehr Menschen, beim Kauf von Produkten auf Nachhaltigkeitsaspekte Wert zu legen und ihre Kaufentscheidung danach zu richten. Unternehmen wollen diesem Bedürfnis Rechnung tragen und sehen darin Marktchancen für sich. Da die Veränderung im Core Business oft nicht so schnell geht wie der Wunsch, sich grün zu positionieren, wird nach Strategien gesucht, sich durch Kommunikation grün darzustellen - selbst wenn die Unternehmenspraxis dem hinterher hinkt.
Dieses Verhalten eines Unternehmens ist für alle anderen Konkurrenten problematisch:
Natürlich ist Greenwashing auch gesellschaftlich problematisch:
Greenwashing kann aber auch für das Unternehmen zum Problem werden, das Greenwashing betreibt:
Greenwashing führt zu einer eklatanten Wettbewerbsverzerrung und der Konzentration auf Aktivitäten, die für eine nachhaltige Entwicklung nicht hilfreich sind.
Bisher wurden schon viele Greenwashing-Fälle vor deutschen und österreichischen Gerichten verhandelt - die Basis dafür war das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (für Österreich / für Deutschland). Dieses schützt Konkurrenten und verbietet die "aktive Täuschung" und die "Unterlassung der Bereitstellung von Informationen". Diese Richtlinie hat sich aber häufig als wenig konkret erwiesen - z.B. ist das mögliche Wissen eines Durchschnittsverbrauchers Auslegungssache des Gerichts.
Im Zuge des European Green Deals hat die EU allerdings zwei zusätzliche Richtlinien erarbeitet:
1. Directive on empowering consumers for the green transition (am 6. März 2024 im Journal der europäischen Union veröffentlicht) - muss spätestens bis 27.9.26 in nationales Recht umgesetzt werden
2. Green Claims Directive (Gesetzesvorschlag am 22.3.24 vorgelegt) - muss ebenfalls innerhalb von 2 Jahren in nationales Recht umgesetzt werden
Diese Richtlinie ist eine Erweiterung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Sie unterscheidet zwischen Umweltaussagen, allgemeinen Umweltaussagen und Nachhaltigkeitssiegeln.
Die Green Claims Directive ergänzt und überlagert die Empowering Consumers Directive und bezieht sich auf "ausdrückliche Umweltaussagen" die vom Unternehmer auf freiwilliger Basis gegenüber dem Verbraucher getätigt werden. Zur Erinnerung: Niemand ist in irgendeiner Weise verpflichtet, grüne Aussagen zu treffen. Greenwashing-Vorwürfe entstehen also immer durch vorangegangene freiwillige Aktionen.
Es handelt sich im Gegensatz zur Empowering Consumers Directive um eine Regelung, die schon im Vorfeld von etwaigen Umweltaussagen ansetzt.
Bei Nichteinhaltung der Regeln werden Strafen in Form von Bußgeldern (bis zu 4% des Jahresumsatzes?), Abschöpfung des unlauter erwirtschafteten Gewinns oder Ausschluss aus öffentlichen Ausschreibungen diskutiert.
Unternehmen können sich durchaus auf die kommenden Regelungen einstellen. Ganz generell sollten sie antizipieren, dass wohl sehr viele der bisher genutzten Umweltaussagen in Zukunft nicht mehr machbar sind. Im Angesicht der neuen Regelungen sollten Unternehmen also schon jetzt eine Strategie dazu entwickeln, welche Umweltaussagen ihnen in Zukunft wirklich so wichtig sind, dass sie sie unbedingt weiter nutzen wollen.
Außerdem sollten folgende Aktivitäten geprüft werden:
Wir geben zu: Die Regelungen sind teilweise sehr komplex und lassen einen auch zunächst etwas hilflos zurück. Einige Details sind noch sehr unklar. Aber all das wird auf jeden Fall Stück für Stück besser.
Letztendlich darf man nicht vergessen: Die jetzige Regelung und vielleicht auch Überregulierung ist eine Antwort der EU darauf, dass die Zustände sich durch Selbstverpflichtung und Nachhaltigkeits-Bekenntnisse der Unternehmen nicht gebessert haben, sondern Greenwashing eher stetig zugenommen hat.
Ziel der Regelungen sind nicht Verbote, sondern eine Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem mit unverzerrten Wettbewerbsbedingungen. Ohne gewisse Rahmenbedingungen scheint das nicht möglich zu sein.
Kreatives Marketing und kreative Werbung an sich bleibt davon unberührt - sofern es zum Core Business des Unternehmens passt.
Wenn du dich auf die kommenden Regeln gut vorbereitest, kann dein Unternehmen sogar von ihnen profitieren.
Wenn du nicht weiter weißt, kontaktiere gern die Tomorrow Academy unter anja.abicht@tomorrowacademy.org. Wir können dir helfen, passende ExpertInnen zu deiner Frage in unserem Anti-Greenwashing-Netzwerk zu finden und eventuell auch direkt erste Orientierung geben.